Mein erster Reflex, wenn ich mal wieder entsprechende Nachrichten hörte: Gewerkschaften müssen weg, die sind nicht mehr zeitgemäß! Aber kann ich das so denken, kenne ich alle Argumente? Ich erhoffte mir von diesem Thema, dass sowohl Daniel (Pro) als auch Alex (Kontra) mir hier erhellendes mitteilen würden und ich meine eigene Meinung besser ausprägen könnte. Hatte ich recht?
Alex berichtet – nicht zum ersten mal – viel von eigenen Erfahrungen, anhand derer er seine gewachsene Meinung darstellt. Das ist zwar eine etwas eingeschränkte Sichtweise, aber immerhin konkret und in den genannten Fällen objektiv.
Daniels Beitrag liest sich fast wie die Über-uns-Seite von Ver.di… und warum muss man (immer noch) streiken? Selbst die, die schon gestreikt haben, sind selbst irgendwann betroffen von Streiks (Busfahrer haben Kinder und Erzieherinnen wollen mit dem Bus zur Arbeit) und beschweren sich dann gegenseitig über einander (das ist Tatsache, keine Polemik). Und was soll folgendes für ein Pro-Argument sein: „Gewerkschaften bilden aus“?!? Dann sollen sie einen regulären Wirtschaftsbetrieb eröffnen und nicht den eigenen Nachwuchs ranzüchten. Nein, es fehlen mir im Pro-Beitrag konkrete Argumente, warum Gewerkschaften (noch) existieren müssen.
Ich hatte ein wenig gehofft, dass ein in mir festsitzender Gedanke (welchen auch Alex als Argument brachte) widerlegt würde. Nämlich dieser:
Statt laut(!) mit Streiks zu drohen, könnte auch mal ein Gewerkschaftsvertreter zu einem Treffen mit den AG gehen und sowas raushauen: „Hört mal Leute: Wir alle wissen, dass ihr gute Geschäfte gemacht habt und das alles im Leben teurer wird. Warum sollen wir uns alle mit teuren und unnötigen Streiks rumschlagen und stattdessen macht ihr gleich ein faires Angebot?“ Denn ich wette, kein Arbeitgeber ist auf einen unsinnigen Streik aus. Nein, Streik scheint mir nur noch ein Instrument zum Selbsterhalt der Gewerkschaften, mit dem Geld der Mitglieder. Ich konnte bei Daniels Beitrag kein Argument finden, welches einen Streik zu einer wichtigen und notwendigen Sache macht (Ein Gewerkschafts-Mitglied wird das vermutlich anders sehen). Sorry Daniel, in deinem Text fand ich eigentlich nur Soft-Marketing. Vielleicht hast du dich nicht genug getraut? Und ich habe ihn zweimal gelesen, sowie ein drittes mal überflogen, um mich vielleicht selbst widerlegen zu können, während ich das hier schrieb.
Alex blinzelt zwar nur etwas über den Tellerrand, doch dort steckt auch ein Nachteil für Daniel mit drin: Ich kann einiges von dem, was Alex berichtet, leibhaftig bestätigen, allein schon die Un-Trennung von BR und Gewerkschaft. Und ich gehe davon aus, dass man in Bezug auf Gewerkschaften bestimmt viel Verallgemeinern, auf andere Branchen übertragen kann.
Mich hat Alex in meiner bisher eher wagen Annahme bestärkt. Vielleicht hat mich der Text von Daniel sogar etwas zur Kontra-Seite hingetrieben? Denn wenn es die Gewerkschaften nicht mehr gäbe, dann würde eben der Gesetzgeber Dinge wie Lohnfortzahlung (oh, gibbet, EFZG), Mutterschutz (huch, ist ja auch schon: MuSchG), Arbeitszeit (ach nee, ArbSchG)… hey, ich brauche den Satz gar nicht beenden, er hat sich selbst erledigt. All das (und sicher noch mehr) wird es auch geben, wenn es keine Gewerkschaften mehr gibt. Dampfmaschinen werden ja auch nicht mehr überall eingesetzt, obwohl sie mal gut funktioniert haben.
Hier höre ich besser auf zu schreiben, sonst wird das noch ein eigener Kontra-Beitrag. Tja, hätte Daniel es geschafft, ein Thema wie „Streik“ glaubhaft als notwendig zu vermitteln, dann hätte ich gern meine Meinung geändert, unabhängig von den anderen typischen Gewerkschafts-Argumenten. Aber so geht diese Runde eindeutig an Alex.
(Vielleicht hätte ich „Letzte Ausfahrt Brooklyn“ vor 35 Jahren nicht lesen sollen)
Hallo Holger, ich bin wieder einmal ganz bei Dir. Besonders folgender Satz von dir „Nein, Streik scheint mir nur noch ein Instrument zum Selbsterhalt der Gewerkschaften, mit dem Geld der Mitglieder.“ gefällt mir sehr gut. Ob es den Gewerkschaftsbossen wirklich um den kleinen Mann geht oder nur um ihre Geldbeutel? Ich denke das Letztere.
Gewerkschaften waren vielleicht mal nötig, aber jetzt schießen sie über das Ziel hinaus.So, wie die Gewerkschaft Verdi mit einem unbefristeten Streik bei der Post droht. Damit wird doch ein ganzes Land in „Geiselhaft genommen“. Am Ende stellt die Post ihre Briefzustellung ganz ein und es geht alles über private Unternehmen. Ist da jemanden geholfen?
Vorige Woche war in Leipzig der ganze Nahverkehr lahmgelegt, Kitas usw. geschlossen. Hat sich jemand von Verdi Gedanken gemacht wie der kleine Arbeiter zur Arbeit kommen soll? Wie z.B. alte Leute im Pflegeheim oder Patienten im Krankenhaus versorgt werden sollen wenn das Personal nicht zu Arbeit kommen kann?
Nein, ihr Gewerkschaften, mit euren Machenschaften schafft ihr euch in großen Teilen der Bevölkerung ab.
Gruß Rainer