Alex | Gewerkschaften müssen weg

Wer mich kennt, kennt sicher schon die Geschichte meiner ersten Begegnung mit einer Gewerkschaft. Das war 1995. Mein erster Tag der Ausbildung. Alle Auszubildenden wurden einzeln aus der Werkstatt geholt und in einen Raum geführt. Dort saß jemand von der JAV, einer vom BR und ein Verdi-Vertreter. Man gratulierte mir zum Beginn meiner Ausbildung und machte mir unverständlich klar: Eine Übernahme nach der Ausbildung wird es bei der Telekom nicht geben. Aber komm, unterschreibe dieses Formular und dann bist du in der Gewerkschaft und wir können für dich kämpfen.

Ich unterschrieb nichts. Es dauerte auch eine Zeit, bis ich überhaupt realisierte, was man da gemacht hat. Am Ende meiner Ausbildung gab es tatsächlich keine Übernahme, was ich bis dahin aber erlebt habe, war herumgeküngel bis zum letzten. JAV Mitglieder wurden fristgerecht durchgetauscht. Die einen gingen, verließen die JAV so, dass andere eintreten konnten und so beide von Fristen profitierten, die eine Übernahme garantierten. Nebenbei wurden Stellen im beim betriebsinterne THW zugewiesen, damit auch kein Wehrdienst erfolgen musste und der neue Mitarbeiter dem Unternehmen voll zur Verfügung steht.

Das klappte natürlich nur bei Leuten, die andere Leute kannten und wiederum irgendwie angesehen waren. Häufig auch mal Telekom-Kinder. Kein Witz.

Einige Monate nach meinem Ausbildungsende erhielt ich ein Schreiben: Die Gewerkschaft hatte ausgehandelt, dass alle Auszubildenden, die 1999 Ihre Prüfung bestanden hatten, nachträglich übernommen würden. Es gab eine Liste mit expliziten Stellen, auf die man sich bewerben konnte. Das waren Stellen in den neuen Bundesländern, wo es wohl an gelernten Kräften mangelte oder bei den jungen Tochter-Gesellschaften T-Mobile und T-Online. Hier jeweils im Callcenter.

Keine Frage, damals war ein Job eben ein Job und besser als nichts. Zumindest bei T-Online haben die einfach alles genommen, was da war. Und wir wurden auch als Externe eingestellt. Mitarbeiter, die von der Mutter kamen, waren interne Kräfte und hatten mehr Gehalt und so weiter.

Diesen Job, zu diesen Konditionen, hätte ich so oder so bekommen können. Ganz ohne Probleme. Das sah 2 Jahre später, als Holger dazugestoßen ist, schon anders aus. Aber es war eben kein Verdienst der Gewerkschaft. Nein, die Gewerkschaft hat etwas mit dem AG ausgehandelt, was auf dem Papier gut ausgesehen hat, aber sowieso schon klar war.

In den Jahren bei T-Online hatte die Gewerkschaft Verdi keine Schnitte. Kaum jemand war Mitglied. Das Gehalt war niedrig. Callcenter eben. Da hat sich keiner eine Gewerkschaft geleistet. Das Betriebsklima war aber prima. Es war ein wenig Start-Up Stimmung. Der Standort wurde immer wichtiger, die Chefs waren beliebt, es wurde viel gefeiert und überhaupt war es eine aufregende Zeit.

Bei jeder Betriebsversammlung bekam aber ein Gewerkschafter Redezeit. Ein Gewerkschafter, der uns immer erzählen wollte, was in anderen Callcenter Betrieben so schiefläuft. Von Ausbeutung und Raubbau an der Gesellschaft wurde da berichtet. Die Verdi würde das verhindern. Man bräuchte aber Mitglieder in den Betrieben! Es fehlt nur noch, dass man uns beheizte Bettdecken anbieten würde.

Ausbeutung und Raubbau hat man dann aber uns betrieben als es 2007 hießt: Die Telekom kauf T-Online zurück. Da wurden dann die effizienten jungen Callcenter Betriebe in die Telekom integriert. Und wir bekamen Tarifverträge. Tarifverträge, die uns zum Teil schlechter dastehen ließen als vorher. Auch die neuen Kollegen in der alten Mutter mussten Abstriche machen, aber die kamen ja von ganz ganz oben. Aus unserer Sicht ein Witz. Wollte man was dagegen unternehmen, wurde man vom neuen Verdi-Betriebsrat ausgebremst. Oder es wurde auf das individuelle Arbeitsrecht verwiesen. Man sollte selber vor das Arbeitsgericht ziehen.

Achso … die Mitarbeiter bei T-Online hatten ja Einzelverträge, der Bestandsschutz hatte. Wir mussten den neuen Arbeitsvertrag also unterschreiben. Die Mitarbeiter, die das nicht machten, bekamen pauschal keine Lohnerhöhung mehr. Also nicht mal die paar popeligen Prozente, die Verdi alle 2 Jahre aushandelten. Eine Praxis, die von der Verdi gebilligt wurde. Man will ja alle im Tarifvertrag haben. Es dauerte dann … 6 Jahre oder so .. bis die letzten in den Tarifvertrag wechselten, weil es sich dann nicht mehr lohnte im alten Vertrag hängenzubleiben.

Ich hab einfach kein einziges positives Erlebnis in Bezug auf Gewerkschaften. In meine Wahrnehmung hat die Gewerkschaft nur noch den Sinn sich selber zu erhalten. Ähnlich wie bei den Kirchen wird ein Beitrag eingenommen und jegliches Handeln dient nur dazu diesen Beitrag zu rechtfertigen.

Alleine diese dämliche Streiken alles 2 Jahre. Also ob das jemand interessiert? Nicht mal der Betrieb ist davon beeindruckt. Das geht einfach so weiter. Es gibt so viele externe Partner, die dann eben für 2 Tage den Betrieb übernehmen, dass kaum ein Kunde etwas spürt. Es ist nur ein Spiel. Eine Tradition. Etwas, das man eben so tut. Wenn die Verdi sich damit brüstet, dass die Arbeitsplätze für die nächsten x Jahre gesichert sind, dann kann ich nur laut lachen. Das ist alles Schauspiel und bekloppt.

Ich hab auch Einblick in andere große Betriebe ohne Gewerkschaftsstrukturen. Dort gibt es teils mehr freiwillige soziale Leistungen als bei uns. Auch dort gibt es alle 2 Jahre eine an der Inflation angepasste Gehaltserhöhung. Es gibt sogar Länder in der EU, in der eine Gehaltsanpassung an die Inflation gesetzlich verankert ist. Ach, wäre das eine tolle Sache. Dann würden mich die 10 Prozent Inflation im letzten Jahr überhaupt nicht jucken, denn mein Gehalt wäre automatisch mehr. Gut für alle. Einfach so.

Natürlich ein Gesetz, das es in Deutschland niemals geben wird. Die Gewerkschaften sind eine viel zu starke Lobby bei unseren demokratisch gewählten Vertretern. Die würden das nie zulassen.

Haaaa puhhh – durchatmen – der örtliche Gewerkschaftsvertreter aka Betriebsratsvorsitzende wird nicht müde den „Nicht-Gewerkschaftern“ vorzuhalten, dass man sich auf deren Kosten bereichern würde. Die Wahrheit ist, dass die Gewerkschaft verhindert, dass ich mein Gehalt selber verhandeln kann, denn der Arbeitgeber spricht ja gar nicht mit mir, sondern nur mit der Gewerkschaft. Aber auch da werde ich nicht müde, das dem Kollegen ins Gesicht zu sagen. Verstehen kann er das aber ganz offensichtlich nicht.

Jetzt mag es sein, dass andere Gewerkschaften da ein ganz ein bisschen anders sind. So eine IG-Metal z. B. scheint ja mächtiger zu sein und besseres zu verhandeln. Aber Geschmäckle hat all das trotzdem.

Ich bleib dabei: Gewerkschaften sind überholt. Der Staat und die Gesellschaft sind mittlerweile viel weiter.

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