Daniel | Digitalisierung – Fluch oder Segen?

Die erste Person, an die ich beim heutigen Titel denken musste, war meine Schwiegermutter. Die schimpft nämlich gerne über diese sch* Handy’s, dass die Leute nichts mehr anderes im Kopf haben als diesen Mist; nur um es sich im Anschluss selbst auf ihrem Sessel bequem zu machen und sich mit ihrem Tablet die neuesten Kochrezepte rauszusuchen. Die Wahl ihrer Worte sei ihr verziehen, aber ein kleiner Funken Wahrheit ist auch darin enthalten.

Befragt man Wikipedia, ein digitales Nachschlagewerk, nach dem Begriff Digitalisierung, dann wird einem erklärt dass der Begriff ursprünglich einen Übergang vom Analogen, von physich greifbaren Dingen, hin ins Digitale, physich nicht mehr greifbar, umschreibt. Einen direkten Vergleich dazu kann ich auch gleich liefern. Diesen Text schrieb ich am 30 Oktober 2022, dem Tag der Zeitumstellung. Alle Uhren in meinem Haushalt haben sich automatisch auf die neue Uhrzeit umgestellt, nur unsere alte Küchenuhr nicht. Sie ist ein Relikt aus vergangenen Tagen, funktioniert rein mechanisch und kann genau eine Sache. Sie ist analog, es braucht jemanden jemanden der sie umstellt.

Als krasser Vergleich können wir mit unserem neuen Telefon, neben so Kleinigkeiten wie die Uhrzeit automatisch einstellen zu lassen, E-Mails abzurufen, Radio zu hören, RSS Feeds anzuzeigen, Smarte Geräte im Haushalt zu steuern und das WLAN ausschalten auch noch so ganz nebenbei telefonieren. Zwar ist das Telefon selbst noch greifbar, liefert aber eine Menge digitaler Dienste die nicht mehr direkt physisch in meinem Haushalt vorhanden, nicht greifbar sind. Die Email ersetzt den Brief, der RSS Feed die Zeitung.

Bleiben wir beim Vergleich zwischen Uhr und Telefon. Die Uhr tut nichts anderes als den lieben langen Tag die Zeit anzuzeigen, solange bis die Batterien leer sind. Ich nehme sie maximal dreimal im Jahr in die Hände; zweimal um die Zeit umzustellen, einmal um die Batterien zu wechseln. Sonst kümmert sich kein Mensch mehr darum, das Produkt wird so weiter funktionieren, bis es das Ende seiner Lebensspanne erreicht hat.

Das Telefon ist nicht nur einfach ein Telefon, es ist ein Computer. Ein hoch komplexes technisches Gerät das viele Funktionen in sich eint, für die früher mehrere Geräte benötigt wurden. Um diese Dienste anzubieten braucht es eine gewisse Infrastruktur, die frisst Energie. Um zu fuktionieren braucht das Telefon Software. Die ist fehleranfällig, muss gewartet und aktualisiert werden. Neben der Infrakstruktur, für die genaue Angabe der Uhrzeit aber auch der vielen Zusatzfunktionen, die am Laufen gehalten werden muss, erfährt auch das Telefon eine Menge Zuwendung, beschäftigt damit viele Menschen.

Ja aber was soll jetzt der dämliche Vergleich mit einer ollen Wanduhr und einem Telefon? Äpfel mit Birnen? Gut, nehmen wir die Apple Watch. Eine Armbanduhr, aber auch ein Computer. Neben GPS, Unfall- und Temperaturerkennung, Pulsmesser und hast du nicht gesehen kann man damit auch telefonieren und sogar bezahlen. Als kleines Schmankerl obendrauf zeigt das Ding sogar die Uhrzeit an. Sie ist digital, hat statt Zahnrädern einen Prozessor und ein Display.

Wo bleibt denn jetzt der Bezug zum eigentlichen Thema? Ob Fluch oder Segen muss doch jeder für sich selbst entscheiden. Der eine ist mehr Technikaffin, der andere weniger. Soweit richtig, aber auch nicht ganz.

Einen, eher kritischen Teil, habe ich bereits erwähnt. Die Infrastruktur die nötig ist um die genannten Funktionen bereit zu stellen. Sie ist angreifbar, wird leider oft nur schlecht gewartet und frisst dazu noch Unmengen an Energie. Wir graben tiefe Narben in die Erde um an die seltenen Erden zu kommen, welche die Infrastruktur und die Endgeräte erst ermöglichen. Betreiben Kohlekraftwerke und andere umweltschädliche Energierzeuger um uns Katzenvideos anschauen zu können. Ganz nebenbei machen wir alle uns durch die Nutzung solcher Hardware gläsern, da alles protokolliert und verarbeitet wird. Oft genug alleine zum Zweck der Gewinnoptimierung, aber unter dem Vorwand dem Kunden bessere Dienste anbieten zu können.

Diese Dienste sind der zweite Teil, etwas was man ebenfalls in den Begriff Digitalisierung vereint und welche schon heute Millionen Menschen auf der ganzen Welt zusammenbringen. Soziale Netzwerke, Online Tauschbörsen, Webshops, Videoportale und so weiter. Auch da spaltet sich die Gesellschaft, vor allen Dingen in den Sozialen Netzwerken.

Soweit zum Fluch, jetzt zum Segen.

Medizin und Forschung: Die Möglichkeit sich mit anderen Forschenden auf der ganzen Welt auszutauschen eröffnet völlig neue Möglichkeiten, liefert Erkenntnisse die so vorher jeder für sich selbst hätte erlangen müssen, oder die sich schlimmstenfalls nicht verbreitet und somit nur einem kleinen Teil geholfen hätten. Die Digitalisierung bietet in vielerlei Hinsicht völlig neue Behandlungswege.

E-Sports: Menschen treffen sich mit anderen Menschen über geologische, religiöse und kulturelle Grenzen hinweg, am anderen Ende der Welt, um zu zocken und sich in Meisterschaften zu messen.

Information: Über verschiedene Dienste wird es uns ermöglicht, quasi Live dabei zu sein, wenn entscheidende Dinge auf der Welt passieren. Wie der Sturm auf das Kapitol, Feuergefechte in der Ukraine, der mutige Kampf der Frauen im Iran oder der Geburtstag der Oma. Besonders während der Pandemie hat sich gezeigt, dass Videokonferenzen Wege sparen, den Datenaustausch aus der Ferne mit vielen Beteiligten vereinfacht. Bürogebäude werden obsolet, was Energie und Zeit sparen kann.

Klima: Ein kleines Mädchen aus Schweden schafft es eine weltumspannende Bewegung ins Leben zu rufen. Mit einem Stück Pappe, einer Botschaft und einem einzelnen Menschen der sie fotografiert und damit ihre Nachricht verbreitet.

Derlei Beispiele gibt es unzählige. Alle haben sie gemein dass sie unsere Gesellschaft, unser gesamtes Weltbild, mal mehr mal weniger positiv beeinflussen.

Wie immer gibt es natürlich Grauzonen. Würden wir alle keine Zeitungen mehr kaufen, sondern die Nachrichten, den Klatsch und die neuesten Infos aus der Gemeinde nur noch Digital lesen, könnten wir auf einen gewissen Teil der Infrastruktur verzichten. Es bräuchte kein Papier mehr das bedruckt werden würde, nicht die Druckerei und auch nicht den ganzen Rattenschwanz der dahinter hängt um dir und mir das neueste Werbeblättchen in den Briefkasten zu spülen. Von der anschließenden Entsorgung nach diesem recht kurzem Leben mal abgesehen. Dadurch liesen sich vielleicht etwas Energie einsparen, die Umwelt schützen, Ressourcen schonen. Die Infrastruktur würde auf einer Seite ab, auf der anderen ausgebaut werden. Wie viele Menschen würden dadurch arbeitslos werden, welche Berufe aussterben? Vielen würde die Lebensgrundlage entzogen, der gesellschaftliche Abstieg bereitet werden. Es mag gute Gründe für noch mehr Digitalisierung geben, sie birgt aber auch Konfliktpotenzial. Sie spaltet Teile der Gesellschaft, schürt Ängste vor der Zukunft und lässt die außen vor, die aus verständlichen Gründen nicht bereit sind diesen Weg zu gehen oder es nie gelernt haben.

Auf die Frage, ob Digitalisierung ein Fluch oder doch eher Segen ist, möchte ich gerne so antworten, wie es vor allen Dingen Rechtsverdreher sehr gerne tun: Es kommt darauf an!

Der Begriff Digitalisierung ist neutral, beschreibt den Übergang von einem in das andere. Entscheidend ist zu welchem Zweck wir sie letztendlich nutzen und ob wir klug genug sind, sie zukunftssicher(nd) einzusetzen. Sie birgt Potential, macht uns aber auch angreifbar, schafft neue Abhängigkeiten und spült am Ende doch wieder nur zu viel Geld in die falschen Taschen. Denn auch das ist ein Teil der Wahrheit; das Unternehmen die Digitalisierung, zumindest in Teilen, in ihrem Sinne, abgestimmt auf ihre eigene Produktpalette, vorantreiben. Um diese besser verkaufen zu können, um Marktführer zu sein, um sich selbst zu bereichern.

7 thoughts on “Daniel | Digitalisierung – Fluch oder Segen?

  1. Ich habe eure Beiträge bzgl. der Digitalisierung gelesen und mir wäre da auch ein wichtiger Punkt dazu eingefallen: Handyortung. Denn früher sind Menschen, wo es noch keine Handys gab, in die Berge gegangen, zum Wandern, zu einer Party und wenn sie nicht heimkamen, fiel es leider erst viel später auf. Heutzutage, wenn sich jemand nicht gleich meldet, fällt es jemanden auf und kann die Person als Abgängig melden. Und bei begründetem Verdacht kann man die abgängige Person dann orten. Die Möglichkeit, dass Menschen schneller gefunden werden, ihnen früher geholfen wird und man sie retten kann, ist definitiv ein großer Vorteil der heutigen Digitalisierung.

    1. Und auch hier ein Nachteil. Vielleicht will man ja auch mal einfach nicht gefunden werden. Eine Auszeit haben, seine Ruhe haben. Und vielleicht ist dann eine „permante“ Überwachung in welcher Form (Nachrichten mit: mit Wo bist du? Warum meldest du nicht? Ich sehe das die Nachricht übermittelt wurde, was ist los? ist auch ein Überwachung) vielleicht kontraproduktiv.

  2. Die verschiedenen Dienste bieten da ja durchaus Möglichkeiten.

    Bei E-Mails zum Beispiel kann ich es so einrichten, dass Personen eine Benachrichtigung bekommen von wann bis wann ich aus welchen Gründen nicht erreichbar bin. Da kann ich dann gleich noch Instruktionen mitgeben, falls etwas nicht stimmt.

    Im Messenger kann ich eine Nachricht in meinem Status einrichten, mit dem gleichen Effekt.

    In meinem Handy kann ich verschiedene Apps stummschalten. So kann ich sicher gehen tatsächlich „unerreichbar“ zu sein, trotzdem wissen die Kontaktsuchenden Bescheid.

    Die Digitalisierung bietet schon viele Vorteile, die mögliche Ortung ist nur eine davon, man muss sie nur richtig einsetzen

    1. Die Dinge, die du beschreibst, lösen ein Problem, das eben durch Digitalisierung erst entstanden ist.

      Aber ja … es ist ein Tool, ein Werkzeug. Und wie gut ein Werkzeug ist, hängt vom Nutzer ab.

  3. Aber das ist doch ein großer Unterschied, ob jemand sagt, er geht wandern, ist um 19 Uhr zurück, ist es aber nicht und jemand macht sich Sorgen. Oder ob jemand ein Wochenende Handy-Detox machen möchte, allen bescheid gibt und verschiedene Personen dies ignorieren und sich dennoch aus Jux und Tollerei melden. Das liegt dann nicht an der Digitalisierung per se, sondern am fehlenden Respekt der Person oder Personen, die den Wunsch der Auszeit nicht akzeptieren oder einen nicht gönnen wollen.

  4. Zu erwarten, dass jemand, der z.B. wandern geht (oder eine Auszeit nimmt), auf jeden Fall per Handy ort- bzw. erreichbar ist, ist irgendwie auch… modern.

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