Letztes Jahr hatte ich keinen nennenswerten Jahrestag in meinem Arbeitsleben zu feiern. Aber das letzte mir bekannte Jubiläum ist – für mich persönlich – etwas besonderes: 2018 „feierte“ ich vollendete 35 Rentenkassenbeitragsjahre. Ist das spiessig? Oder ist das egal?
Es ist weder das eine noch das andere, es ist nur ein kleiner Meilenstein in meiner Lebensplanung: Das habe ich geschafft – ein gewisser Anteil an Rente steht mir nun zu, egal, was ich den Rest meines Lebens noch so tue oder lasse. Diese Freiheit werde ich nutzen. Und dabei habe ich schon viel „getan“. Auch und besonders Sozialversicherungspflichtig, also das, was viele „berufliche Sicherheit“ nennen (Ich war auch schon in der Bild-Zeitung, hatte ein Interview mit Ingolf Lück und Wikipedia erwähnt mich, aber das ist alles kostenloser Bonus 🙂 ). Ich möchte euch von meinem Lebenslauf verschonen, aber einen kleinen undetaillierten Abriss der ersten knapp 20 Jahre meines Berufslebens zeige ich:
- 1983 Erfolgreiche Lehre zum Schlosser gestartet
- 1988 Vier Jahre und zwei Monate(!) Dienst bei der Bundesluftwaffe angetreten
- 1993 Metallbaumeister geworden
- 1997 Selbstständigkeit EDV-Service
- 2000 Teilzeitkraft Teichfolienkonfektion
- 2002 Kundenberater bei T-Online*
Letzteres wollte ich so ein paar Monate machen, bis man „was richtiges“ findet. Dort lernte ich auch Alex kennen. Nebenbei gingen 16 Jahre rum. Viel zu viel. Wie konnte das nur geschehen…
Was war so schön bei der Telekom? Die Zeit bei T-Online. Was war denn so schlecht? Man macht dort Arbeit, die es nicht gäbe, wenn man nicht da wäre. Auch der Job von Alex, in allen Ehren (ich habe ja viele Jahre das gleiche gemacht). Bei der Telekom landen, genau wie bei VW am Band oder bei Siemens oder anderen großen Konzernen die Menschen, die wo anders keine Chance haben. Das ist gut so, denn sonst würden diese Leute rumlungern und Blödsinn machen. Damit hat die Telekom einen klaren sozialen Auftrag, den man wirtschaftlich gar nicht gegenrechnen kann. Das mag früher anders gewesen sein, aber heute ist das so. Und das gilt auch für die Führungskräfte dort! In der freien Wirtschaft gelten Leute mit den gleichen Aufgaben gar nicht als Vorgesetzte: Man verwaltet ohne nachweisbare Qualifikation Aufgaben über Excel-Tabellen und schwurbelt in Telkos über Dinge, die man nicht versteht. Dazu liest man den Mitarbeitern vor, welche Ideen und Wünsche sowohl Betriebsführung als auch -rat haben.
Die meisten Menschen nennen sowas „erfolgreiches Berufsleben“ oder gar umfassend „Leben“. (Alex wird vermutlich beim lesen dieser Zeilen jemanden suchen, den er mit dem Finger anschnipsen kann… und wenn in seinem Kopf die Gedanken hin und her huschen über das, was ich gerade schrub, dann deswegen, weil er eigentlich gar nicht zu dem Personenkreis gehört. Weder so noch so.)
Ich hab leicht reden? Jepp. Aber aus keinem besonderen Grund. Nur ein kleines Geheimnis: Machen statt… nicht machen. Eines der knackigen Mottos von Alex, die er zwar beruflich, aber offenbar kaum privat lebt, lautet: Fakten schaffen! Er hatte sogar mal ein Stellenangebot anderswo. Man „ließ ihn nur nicht gehen“ (Alex ist beruflich IT-Systemanalytiker und Softwaredesigner und im Herzen Coder und könnte die Welt mehr verändern als ich durch Handwerkskunst, aber wir beide mögen Linux). Ich habe mich durch einen Auflösungsvertrag von der Telekom getrennt, doch stattdessen hätte ich auch den anderen Weg gehen können: Aussitzen, sich vom durchaus üppigen Gehalt einlullen lassen und immer wieder das Mantra murmeln: „Ich hätte es schlechter haben können“.
Möp! Quatsch! Höre auf, dich selbst zu verarschen und nimm lieber folgendes Zitat zu Herzen:
In zwanzig Jahren wirst du mehr enttäuscht sein über die Dinge, die du nicht getan hast, als über die Dinge, die du getan hast.
Mark Twain
Das ist vermutlich, was Alex wurmt und nicht erkennt: Es geht nie darum, wie gut man es hat. Ein teures Auto (ein schnelles Pferd, ein großer Hut, polierte Schuhe…) birgt nur Mühen, aber niemals Zufriedenheit. Ich lebe nicht mehr nach dem Motto „wie lange muss ich arbeiten, um mir dieses und jenes leisten zu können“. Sondern ich versuche es anders rum. Wie wenig (Geld) brauche ich, um zu machen, was ich möchte? Dabei ist es gar nicht leicht festzustellen, was man wirklich möchte. Probiert es aus, eine Ahnung habt ihr ja! Aber grübelt, wartet nicht zu lange. Mein Motto: Wir sind alle sterblich.
Ein wesentlicher Fakt dabei ist: Das Leben geht weiter, außer, man stirbt. Mumm vor Muffe! Es gibt immer einen Weg, eine Lösung, eine Arbeit. Schützt eine Lebensversicherung vorm sterben? Wenn alles gar nicht so läuft wie geplant, muss man sicherlich einige Zeit auf einiges verzichten (muss man rauchen?), aber dann kann man die Weichen des eigenen Lebens neu stellen und ganz bestimmt neue Erkenntnisse gewinnen. Und auch ich habe Kinder und ein Haus und einen Stromversorger.
Jeder hat nur ein Leben und ich werde meines nicht mehr mit „Warten“ vergeuden. Ob ihr in eurem Leben wartet oder wandert, müsst ihr selbst feststellen. Traumleben? Nee, lieber das Leben leben statt zu träumen….. Realleben!
Übrigens, die zwei Fragen:
Ein kleiner Trost: Die erste Matrix ist nicht daran gescheitert, da war es noch „besser“.
Und: Ich lebe gerade keinen Traum. Ich bin segeln, für fünf Monate: Ich lebe mein Leben.
Gruß
Holger
*Das alles sind nur Momente und zu allen Stationen könnte ich viel erzählen. Gehört hier aber nicht her.
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