Achtung! Wenn Sie Weihnachten lieben sollten Sie vielleicht bis kommende Woche warten. Dann wird nämlich Holger seinen Beitrag veröffentlichen, der dürfte Ihnen sicher besser bekommen als dieser hier. Sagen Sie nicht ich hätte Sie nicht gewarnt.
Wie bereits vor ein paar Tagen angekündigt, obliegt mir die Ehre das diesjährige Weihnachtsspecial auf halbweise.de mit meinem Beitrag zu eröffnen. Die Idee dazu kam von Holger, während wir drei über das nächste anzugehende Thema beratschlagten. Hier ein Auszug des Schriftverkehrs, darin wird auch die Aufgabenstellung klar definiert:
„Wir machen jetzt erst ein Special „Weihnachten“. Ohne weitere Vorgaben schreibt jeder von uns auf, was ihm dazu einfällt oder wichtig ist.“
Um eines gleich vorweg zu nehmen; die einzigen beiden Dinge die mir an Weihnachten gefallen, sind Spritzgebäck und der Kleine Lord. Ich bin mir nicht ganz sicher, hoffe aber dass ich mich wenigstens in dieser Sache von den beiden anderen absetze. Zumindest unsere bisherigen Beiträge ließen erkennen, dass wir in einigen Dingen aus dem selben Holz geschnitzt sind. Um so spannender finde ich dass unsere Beiträge mit zeitlichem Abstand veröffentlicht werden.
Denke ich an Weihnachten, fallen mir vor allem Schlagworte wie Energie ein. Klimawandel, Einsamkeit, Müll, Konsum, Coca Cola, oder Massentierhaltung. Sie erkennen in welche Richtung es beim heutigen Artikel geht?
Ich kann gar nichts dafür, die Dinge haben sich eben im Laufe der Jahre so entwickelt. In meiner Meinung bestärkt haben mich nicht nur Klimadebatten, sondern auch ein ungefilterter Blick auf den ganzen Zirkus, welcher um die Feiertage veranstaltet wird. Auch nicht förderlich ist sicherlich, dass man heutzutage Weihnachtsgebäck schon im September kaufen kann. Bis der 24.12. dann endlich mal da ist, ist vieles von der Weihnachtsstimmung bereits verschlissen, wenn aufgrund von Schneemangel überhaupt welche aufkommt. Wären da nicht der Baum, die Lichter und die Musik, wäre der „Heilige Abend“ nicht viel anders als die üblichen Festlichkeiten. Schlimmer noch, nur kurze Zeit später steht man ja schon wieder in den Startlöchern, nämlich um den nächsten Anlass gehörig auszuschlachten.
Und wen oder was feiert man da überhaupt, am Fest der Liebe? Die Geburt Jesus Christus? Also nach christlicher Auffassung den Sohn Gottes, dessen weltlicher Verein mehr und mehr unter den etlichen Skandalen, wie etwa Kindesmissbrauch, und dem damit einhergehenden Verlust von Mitgliedern leidet. Oder doch lieber einen fetten, weißen alten Mann, dessen Aussehen maßgeblich aus der Feder eines amerikanischen Konzerns stammt, der jährlich Milliarden mit dem Umsatz von krankheitsfördernden und, verpackungsbedingt, umweltverschmutzenden Süßgetränken verdient? Und warum werden Kinder immer noch belogen wenn es um die Herkunft der Geschenke geht? Das neue Handy kommt nicht durch den offenen Kamin, ihr habt gar keinen. Das wird bei Amazon bestellt und von überarbeiteten Menschen ausgeliefert, die heutzutage nur noch selten gut Deutsch sprechen und zum Dank auch noch schlecht bezahlt werden. Und dann noch dieser unerträgliche George Michael, der Mann ist mitverantwortlich für den Song Last Christmas. Ein toller Mensch, aber den Schnitzer hätte er sich wirklich sparen können.
Als kleiner Bub lagen die Dinge bei mir natürlich noch etwas anders. Da war man auf einer Seite Profiteur, aber eben auch jung und blind. Diese Dinge waren auch oftmals noch anders als heute, allerdings selten besser. Meine Oma hatte immer für die ganze Familie gekocht, was sicherlich sehr aufwendig war. So saßen wir bestimmt mit zwanzig weiteren Menschen, meine Mutter hat sechs Geschwister, am Tisch und machten uns über eine schöne Pute, Rotkraut mit Kartoffeln, Pudding und all die anderen Leckereien her. Wenn man dann satt und alles aufgeräumt war, als Kind genoss man die vorteilhafte Position nichts tun zu müssen, versammelte man sich mit den Cousins und Cousinen gemeinsam vor der Tür, welche ins Wohnzimmer führte. Diese besteht auch heute noch aus einem Holzrahmen und geriffeltem Glas, welches das Lichterspektakel ungemein befeuerte und die Kinder noch aufgeregter machte. Es wurde weihnachtliche Musik gespielt, man stand artig in einer Reihe und wartete ungeduldig darauf dass sich endlich die Tür öffnete und den ersten Blick auf die riesengroße, liebevoll geschmückte Krippe freigab. Die Geschenke waren nützlich, Wegwerfprodukte gab es keine. So erinnere ich mich noch immer an einen roten Plattenspieler welcher uns viele Jahre treu blieb. Zusätzlich waren wir arm wie die Kirchenmäuse. Zumindest meine Mutter, weshalb man sich an Weihnachten um so mehr über neue Dinge freute, die natürlich lange halten sollten.
Die Feste laufen heute nicht viel anders ab. Meine Frau gibt sich die größte Mühe uns etwas leckeres auf den Tisch zu bringen, was ihr selbstverständlich auch gelingt. Zumindest Anfangs noch wurden die Kinder gezwungen, mindestens zwei Lieder zu singen ehe es losgehen konnte. Danach findet man sich wie immer bei der Schwiegermutter ein, wo die anderen schon auf einen warten, um sich im Kollektiv den Bauch vollzuschlagen.
Sind Sie noch da? Vielleicht wird es Zeit für einen Lebkuchen und eine Tasse Glühwein. Trinken Sie ihn ruhig, Sie werden die Wärme noch brauchen.
Soweit also alles wie immer. Nur dass wir unseren Kindern schon sehr früh nichts mehr vom Weihnachtsmann erzählt haben. Sie durften sich oft aussuchen was sie haben wollten, es gab immer Geschenke von denen sie das ganze Jahr etwas haben würden. Zum Beispiel wurden wir von vielen Seiten dumm beäugt weil wir unseren Kindern Wanderrucksäcke geschenkt hatten. Und nicht, wie den Plagen der Beäuger, das neueste Handy oder andere Dinge von zweifelhaftem Wert. Die Rucksäcke existieren im übrigen auch heute noch, die Kinder haben sie geliebt. Und, sie haben gelernt Dinge wertzuschätzen. Dieses Wissen scheint leider zwischenzeitlich gelitten zu haben.
Auch hat es lange gedauert bis meine Frau und ich uns auf ein Maß an Weihnachtsbeleuchtung geeinigt hatten, mit dem wir beide leben konnten. In meinen Augen verbraten wir in der Weihnachtszeit einfach nur einen Haufen Energie den wir gut an anderer Stelle gebrauchen könnten. Aber ok, es gibt einfach Dinge, die kannst du nicht ändern. Den Baum auszuwählen war immer eine besondere Herausforderung. Ich frage mich überhaupt warum ein Baum sterben muss damit wir was zu feiern haben. Aber ok, es gibt einfach Dinge, die kannst du nicht ändern. Jedenfalls gab es immer was zu meckern. Die Spitze ist krumm, die Äste zu dicht, dies das jenes. Daraus entstand richtiger Streit, bis ich mich weigerte überhaupt einen Baum aussuchen zu gehen. Seitdem ist jeder Baum den ich Heim schleppe der schönste Baum von allen, egal wie schief und ( meist zu ) groß der ist.
Es gibt also eine Menge Gründe welche dafür sprechen, den ganzen Klimbim getrost zu ignorieren und mit der eigenen Zeit etwas wirklich sinnvolles anzufangen.
Andererseits, es ist ja auch nicht alles schlecht. Ich erwähnte bereits den Kleinen Lord und das Spritzgebäck. Es sind aber auch die paar freien Tage die ich gemeinsam mit meiner Frau verbringen kann. Wir haben Zeit, können uns austauschen und uns daran erfreuen dass wir schon so viele Feste gemeinsam verbracht haben. Ist ja auch keine Selbstverständlichkeit mehr. Wenn es noch Weihnachtsgeld gibt kann man sich selbst auch mal etwas gönnen, Dinge die vielleicht sonst hinten anstehen. Mit zunehmendem Alter kommt es ja auch mehr und mehr auf den Genuss an, das Materielle rückt in den Hintergrund.
Man kann den ganzen Zauber so vielfältig nutzen. Zum Beispiel sich mal kein schlechtes Gewissen machen lassen. Sie dürfen und sollten unbedingt Geld an Bedürftige spenden, Sie müssen es aber auch nicht. Sie werden, wie so viele andere auch, das ganze Jahr genug geackert haben und dürfen mal an sich selbst denken. Lesen Sie, genießen Sie die Stille, tun Sie worauf immer Sie Lust haben. Hauen Sie sich unbedingt den Bauch voll. Es wurde viel Energie nur dafür verbraten und ein Lebewesen musste sterben, wenigstens das sollten Sie wertschätzen. Lachen Sie. Schauen Sie in die Runde und fragen Sie sich dabei: Wo wäre ich jetzt ohne die? Sollte sich plötzlich das gute Gefühl breit machen am richtigen Platz zu sein, haben Sie ihr Ziel erreicht. Sollte sich herausstellen, dass Ekel die dominierende Emotion ist, sollten Sie sich wiederum eingestehen dass Sie sich selbst, aber auch die anderen, nur belügen und umgehend das nächste Lokal ansteuern.
Für was auch immer Sie sich entscheiden, ich wünsche Ihnen aus ganzem Herzen eine schöne Zeit. Vieles ist halt wie es ist und die Dinge werden leichter wenn man über sie lacht. Es gibt Menschen die Sie lieben, auch wenn Sie offensichtlich und im Gegensatz zu mir an allem was zu meckern haben. Alleine für die sollte man am 24.12. aufstehen und sein schönstes Lächeln auflegen. Weil solche Menschen es wert sind, weil sie einem das ganze Jahr beistehen. Und weil scheiß Weihnachten nun mal eben das Fest der Liebe ist.
Hier noch, passend wie ich finde, das Adventsgedicht von Loriot. Beachten Sie bitte die zwei brennenden Kerzen im Hintergrund, diese wollen Ihnen etwas sagen.
Wie ähnlich unsere Gedankenwelt doch ist, und gleichzeitig so weit voneinander entfernt…